Bedeutungsschwangerschaften
Es gibt nur noch wenige Blogs im eigentlichen Sinne. Moderne Blogs, sind keine Logbücher mehr. Sie sind Publikationen, die durchdacht werden müssen, oder sie sind Marketingkanäle.
Es gibt nur noch wenige Blogs im eigentlichen Sinne. Moderne Blogs, sind keine Logbücher mehr. Sie sind Publikationen, die durchdacht werden müssen, oder sie sind Marketingkanäle.
Ein paar klassische Blogs lese ich noch. Nach und nach verstummen sie, aber einige wenige sind weiterhin aktiv. Beim Blättern durch deren Archive, ist mir etwas aufgefallen: Sie sind so schön schlicht.
Damit meine ich nicht, dass sie nicht hübsch gestaltet wären, oder dass die Texte schlecht oder die Autor:innen gar dumm wären. Im Gegenteil. Wenn ich so darüber nachdenke, passt "schlicht" vielleicht gar nicht so gut, was ich meine ist "naiv".
Was das bedeuten soll, lässt sich am besten erklären, wenn ich den Spieß umdrehe und moderne Blogs beschreibe.
Moderne Blogs sind natürlich optimiert. Weil sie (meistens) zielgerichtet sind. Sie erfüllen einen Zweck. Sie dienen dazu etwas zu vermarkten und sei es nur den "Personal Brand".
Natürlich kann so ein Blog dann nicht nur vom Wochenendausflug in den nahegelegenen Wald berichten. In so einem Blog können die Autor:innen nicht einfach nur schreiben: "Ich habe dieses Buch gelesen und es hat mir gut fallen, ich kann es euch empfehlen."
Das alles wäre nicht zweckdienlich. Es zahlt nicht aufs Marketingkonto ein, es verkauft nichts.
Stattdessen ist etwas passiert, dass sich schon seit ein paar Jahren beobachten lässt und in dessen Falle ich mehrfach auch getappt bin: Jeder Blogbeitrag wird mit Relevanz überstülpt.
Es ist nicht mehr das unterhaltsame Buch, sondern es sind "die 10 wichtigsten Learnings aus dem Buch". Es ist nicht mehr der gemütliche Wochenendausflug, sondern "was wir beim Wandern in der Natur über unser persönliches Mindset lernen können". Es ist nicht mehr der morgendliche Kaffee auf dem Sofa, bevor es an die Arbeit geht, es ist die "Morgenroutine".
Alles wird bedeutsamer gemacht, als es ist. Aus Allem muss eine Lehre gezogen werden, um zu zeigen, dass man täglich an Allem wächst.
Und so wird aus jeder Kleinigkeit ein erhobener Zeigefinger, eine Belehrung: Ich war spazieren und habe dabei das Leben durchschaut. Aber ich bin recht zuversichtlich, dass auch du mein Niveau erreichen kannst, hier meine 10 Thesen.
Und dann werden diese 10 Thesen an die Tür geschlagen, die sich heute Blog oder medium.com, oder wie auch immer nennt.
Höret mich! Ich habe Wissen erlangt!
Dass dabei am laufenden Band Einzelfälle zu Generalweisheiten gemacht werden, sei mal dahingestellt. Es führt aber dazu, dass sich Blogs fast alle gleich lesen.
Ist ja auch logisch, wenn man bei Allem, was man so tut und berichten könnte, immer noch eine Ebene zwischenschieben muss, die diese Alltäglichkeit zu etwas Bedeutsamen macht.
Umso mehr genieße ich Blogger:innen, die noch von sich erzählen. Ich erfahre dort Menschliches, etwas das so viele Andere durch ihre Bedeutungsüberzüge krampfhaft künstlich herzustellen versuchen.
Danke also an all diejenigen, die noch sie selber sind und uns teilhaben lassen. Ich freue mich immer über neue Blogposts von Euch!
Und: Ich gelobe dahingehend Besserung.
Über ähnliches habe ich tatsächlich in den vergangenen Tagen auch nachgedacht, als ich an meinem Blog rumgeschraubt habe und mir dieses unsägliche YOAST SEO Plugin ins Auge sprang. Fast alle meine Artikel sind rot markiert. Logischerweise. Weil sie nicht optimiert wurden. Demnach werden sie auch nicht gesucht und gefunden. Lediglich DIY Artikel oder Tipps&Tricks. Was aber auch widerum in Ordnung ist. Man wird aber nur in so vielen Gruppierungen darauf hingewiesen, was man soll, das man nicht soll, darf, muss, kann, etc. pp., dass mir das mittlerweile ein wenig vergangen ist, bzw. ich erst wieder lernen muss, dass ich gar nichts muss. Ich kann. Wenn ich möchte. Die persönlichen Blogs vermisse ich auch sehr. Da hat sich viel professionalisiert und auf Instagram verlagert. Dem nachzutrauern hilft nur leider wenig. Ich mach wohl einfach so weiter, wie bisher.
Hey Melly,
ja, da stimme ich dir zu, man macht sich selber verrückt und letztendlich läuft es dann darauf hinaus, dass man es ganz lässt. Dein Blog besuche ich übrigens regelmäßig und freue mich immer über neue Beiträge.
Hallo Maurice,
beim Lesen fühle ich mich ertappt, auch wenn ich für meinen Blog keinerlei Suchmaschinenoptimierung betreibe, etwas verkaufen oder mich als tollen Hecht präsentieren möchte. Trotzdem gebe ich gern meine Erfahrungen und Einsichten aus Challenges weiter und wünsche mir, dass das Publikum etwas aus meinen Texten mitnehmen kann. Immerhin schenkt es ihnen seine Zeit.
In nächster Instanz freue ich mich natürlich auch immer riesig darüber, wenn meine Texte Anklang finden und Reaktionen hervorrufen. Denn wofür stelle ich sie sonst ins Internet, anstatt sie heimlich in ein analoges Tagebuch zu schreiben, wenn nicht für Austausch?
Nichtsdestotrotz ändert das freilich nichts an der Tatsache, dass mittlerweile alle um Aufmerksamkeit haschen. Da heiligen die Mittel oft den Zweck. Gut, wenn man zwischenzeitlich gelernt hat, Clickbait gekonnt zu ignorieren. Daran arbeite ich leider selbst noch.
Lieber Gruß
Philipp