Das OMR-Festival 2023

Vergangene Woche war ich, zusammen mit über 70.000 anderen Menschen, auf dem OMR-Festival in Hamburg. Wer das nicht kennt: Es handelt sich um eine große Konferenz und Messe zum Thema Online-Marketing. Eigentlich nicht unbedingt das Event, auf dem man mich vermuten würde.

Ich war 2019 das erste Mal da, um mal über den eigenen Tellerrand zu schauen. Damals hatte mir besonders die Stimmung gefallen. Es gab coole Talks, aber das ganze Drumherum machte das OMR-Festival so besonders. Dann kam Corona, ich brauche das wohl nicht weiter ausführen. In diesem Jahr war ich dann das erste Mal wieder auf so einer großen Veranstaltung. Größer noch als 2019, was der Stimmung nicht so gut tat.

Anders als bei meinem Besuch 2019 gab es jetzt nur noch eine Ticket-Kategorie. Mit dem Ticket kam man in alle Hallen. Das war 2019 noch anders, es gab ein Expo- und ein Konferenzticket. Nur mit dem teuren Ticket konnte man sich die große Bühne ansehen. Dieses Jahr gab es kein reines Expo-Ticket mehr, jeder konnte in alle Hallen.

Zu voll

Und das war auch schon das erste Problem.
Wenn ich so viel Geld für ein Ticket bezahle, würde ich schon auch gerne die Talks sehen, für die ich das Ticket gekauft habe. Das war aber nicht mehr gegeben. Immer wieder hieß es - gerade bei der großen Bühne - sorry, Halle voll, du kommst nicht mehr rein. Und so bildeten sich immer wieder lange Schlangen vor den Hallen.

Am ersten Tag verpasste ich deshalb den einen oder anderen geplanten Programmpunkt. Am zweiten Tag wusste ich es dann besser und plante etwa eine Stunde Vorlauf ein. So kam ich rechtzeitig in die Halle, wenn wieder ein Speaker fertig war und ein Schwung Menschen die Halle verließ.

Auch um die Hallen herum, besonders am ersten Tag, bei bestem Frühlingswetter, hieß es häufig: durchkämpfen. Es war einfach zu voll. So richtig Spaß machte das nicht und auch die Stimmung wie 2019 mochte so nicht so recht aufkommen.

Die Talks waren trotzdem interessant. Etwas merkwürdig finde ich die Kommentare, die online jetzt so herum schwirren und anmeckern, dass die Talks ja nur eine Werbeveranstaltung nach der anderen seien. Natürlich waren viele dabei, die sich auf ein Produkt bezogen - nicht unbedingt verwunderlich für eine Marketing-Konferenz… nun ja…

Musste das wirklich sein?

Schade auch, dass es dann im Nachhinein noch die Aufregung rund um Jeremy Fragrance geben musste. Die hätte man ganz einfach verhindern können: nicht einladen. Wer schon einmal Ansatzweise gehört und/oder gesehen hat, wie dieser Mensch tickt, hätte ahnen können, dass das unangenehm wird. Mit ein wenig Mut hätte man auch direkt auf der Bühne mal eingreifen können.

Ich habe den Talk nicht gesehen, zum einen weil er direkt zu Beginn der Konferenz lief, sehr kurz war und ich mich dafür nicht abhetzen wollte, zum anderen, weil mir schon klar war, dass dort vermutlich mit nicht besonders viel Substanz zu rechnen sei. Ich rechnete eher mit Liegestützen und Selbstfeierei, leider wurde es dann ja noch weitaus unangenehmer.

Schade, dass man mit so einem kurzen Talk die vielen anderen, guten Talks überschatten lässt. Das war, vermute ich, eine Quotenentscheidung, besagter Herr ist halt gerade angesagt. Unnötig, nicht zeitgemäß und zurecht kritisiert.

Gute Talks

Im Laufe der zwei Tage durfte ich aber ein paar wirlich gute Talks sehen. Da waren Lanz und Precht, die über KI und die gesellschaftlichen Auswirkungen sprachen. Guter Talk, aber wenig Neues dabei, wenn man den Podcast hört. Eine interessante Aussage ist aber bei mir hängen geblieben: Kritisch an KI wird nicht nur sein, dass viele Menschen u. U. ihren Job verlieren, sondern dass noch viel mehr Menschen ihr Vertrauen verlieren werden. Jedes Bild, jeder Ton, jeder Text wird hinterfragt werden. Ist das echt, oder stammt das von einer KI/LLM? Das wird besonders für Demokratien schwierig, die auf Vertrauen aufbauen.

Zwei Talk waren meine absoluten Hightlights. Das war die Lesung von Benjamin von Stuckrad-Barre, den ich seit 20 Jahren lese und dessen neues Buch ich gerade sehr begeistert verschlinge. Er las dann nicht nur einfach, sondern erzählte noch viel drumherum und machte auch immer wieder freche Bemerkungen über das OMR-Festival und einige Sprecher. Kann man online noch hier sehen.

Noch viel mehr mitgenommen hat mich allerdings der Talk vor Stuckrad-Barre. Luisa Neubauer sprach über Greenwashing. Sie sprach ganz direkt die Marketingbranche an, die ja maßgeblich daran beteiligt ist und endete mit dem Appell: Wenn du sowas machen musst, kündige. So kritisierte den Hauptsponsor des Events und sprach sehr mitreißend darüber, wie Greenwashing betrieben wird und was daran problematisch ist. Unbedingt anschauen, für mich der beste Talk der Konferenz, aus dem ich Einiges mitnehmen werde (dazu später mal mehr).

youtube video
LUISA NEUBAUER - Cut the Bullshit

Mein Fazit

Es war wieder interessant und cool auf dem OMR-Festival, aber einfach zu voll. Wenn ich schon so viel Geld ausgebe, will ich auch in die Hallen reinkommen. Cool fand ich, dass es fast ausschließlich veganes Essen gab, es gab interessante Talks und viel zu sehen. Ob ich nächstes Jahr noch mal bei der größten Bühne Europas vorbei schaue, weiß ich allerdings noch nicht.