Ein Plädoyer fürs Bloggen

Es gab Zeiten, da wurden Blogger belächelt. Jemand der ein Blog betrieb, führte entweder eine Art Tagebuch oder hat es nicht zum Journalisten geschafft. Und heute? Ein Plädoyer fürs Bloggen.

Wer heute mit dem Bloggen beginnt, der macht sich allenfalls darüber Sorgen, wie er oder sie Besucher aufs Blog bekommen kann. Welche Content-Marketing-Strategie die passende ist und wie man das alles mit Facebook, Twitter und Co verbindet.

Aber wenn man die Entwicklung der Blogs mitgemacht hat und von Anfang an dabei war, dann weiß man, dass es noch vor einigen Jahren ganz anders aussah.

Die Geschichte der Blogs

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Damals gab es keine umsatzstarken Firmen, die einem Content-Strategien entwickelt haben, damit das Blog richtig Fahrt aufnimmt. Corporate-Blogs? Wenn es welche gab, dann musste man danach suchen.

Blogs waren meist privat geführt, irgendwie immer ein bisschen nerdig und das Gegenteil von Mainstream. Blogs nahm man nicht ernst, sie waren „die Klowände des Internets“, irgendwie ein Hintergrundgemurmel im Web.

Was allerdings keiner der damaligen Kritiker auf dem Schirm hatte, genau diese Nische sollte Blogs irgendwann zu mächtigen Tools machen.

Vieles, was heute im Web selbstverständlich ist, entwickelte sich in der Blogosphäre. Die war damals noch etwas überschaubarer und hochgradig vernetzt. Wer keine Blogroll hatte, wurde schief angesehen.

Fast jedes Blog lud zum Kommentieren ein, Pingbacks sorgten dafür, dass man sich ohne große Umstände vernetzen konnte. Jemand schrieb etwas im Blog und man antwortete im eigenen Blog darauf und konnte ziemlich sicher sein, dass die entsprechende Person das mitbekam.

Man konnte Posts taggen, kategorisieren, durchsuchen…

Wie gesagt, sehr viel von dem, was heute auf jeder Seite Standard ist, hatte seinen Ursprung in den Blogs.

Die Entwicklung der Blogs

Es gab mehrere Punkte in der jüngeren Geschichte, die zeigen, wie Blogs mit der Zeit an Bedeutung gewannen. Die besagten „Klowände des Internets“, eine Bezeichnung, die der bekannte Werber von Matt recht schnell bereute, als ein Shitstorm über ihn hereinbrach. Das war 2006.

Schon vorher hatte sich Johnny Haeusler mit Jamba angelegt und für viel Wirbel gesorgt. Überhaupt, Spreeblick, war wahrscheinlich DAS deutsche Blog und bewies immer wieder Weitsicht.

Spreeblick probierte viel aus. Ein musikalisches Vlog z.b., man podcastete sich bis ins Radio vor, sorgte dafür, dass Frau Merkel in Hamburg (und später auch in anderen Städten) Besuch von uns Nerds bekam und jäh und sinnlose „Yeah“ Rufe in ihrer Rede unterbrochen wurde. „Und alle so Yeah“ schaffte es bis in die Tagesthemen und geisterte mit diversen Remixen im Web umher (wer meine Stimme wieder erkennt, bekommt ein virtuelles HighFive von mir) und schließlich wuchs aus Spreeblick heraus die inzwischen riesige Konferenz, Republica.

Das alles konnte aber nur passieren, weil Blogs stets eine gewisse anarchistische Ader hatten. Und das ist leider zum größten Teil verloren gegangen.

Bloggen heißt heute, eine Strategie zu verfolgen. Möglichst effiziente Blogposts zu schreiben und diese zum richtigen Zeitpunkt zu veröffentlichen und zu teilen.

Wer sich darüber informiert, wie er am besten zu bloggen hat, bekommt Leitfäden an die Hand, die darüber aufklären, welche Blogpost-Typen es gibt und wie sie einzusetzen sind.

Das ist ja auch alles schön und gut und funktioniert ja auch für viele, nur mit dem ursprünglichen Bloggen hat das nichts mehr zu tun.

Ich möchte nicht wie ein alter Mann klingen, der den alten Zeiten nachweint.

Damals war es kaum vorstellbar mit einem Blog Geld zu verdienen. Heute kann man das Experiment wagen, auch wenn es nur wenige schaffen.

Sei anders!

Was ich sagen will, ist: Wenn du ein Blog führst oder darüber nachdenkst ein Blog zu starten, dann denk kurz an meine Worte hier. Braucht die Welt wirklich noch ein weiteres Blog, das einem erklärt, wie man sich am besten auf Facebook verkauft? Wie man eine Überschrift schreibt? Wie viele Zeichen ein Blogposts mindestens haben muss, damit es 20% mehr Shares auf Facebook bekommt?

Klar, damit kann man natürlich an Besucher kommen, aber die schiere Masse solcher Blogs wird das einzelne Blog irgendwann bedeutungslos machen.

Blogs waren ein bisschen anarchistisch und sie waren vor allem immer, zumindest ein bisschen, persönlich. Die Sprache war manchmal poetisch, manchmal holprig, aber sie spiegelte eben die bloggende Person wider.

Ich möchte dich dazu auffordern, wieder ein bisschen mehr so zu bloggen, wie wir es vor 10 Jahren gemacht haben! Sei ein bisschen weniger Perfekt. Hör auf bei jedem Post zu zählen, ob deine Überschrift genug Zeichen hat und wann das entscheidende Keyword das erste mal auftaucht.

Schreib' einfach mal drauf los und zeig der Welt da draußen, wer hinter deinem Blog steckt. Ganz unverkrampft und ohne diese künstliche Sprache.

Ein Blog war immer auch ein Spielkasten, ein Ort für Experimente. Und das kann es immer noch sein. Vielleicht verlierst du damit ein paar Leser, aber ich möchte wetten, du wirst viele neue gewinnen. Denn nur wer wagt, zumindest ein bisschen von der Masse abzuweichen, wird auch wahrgenommen.

In der Masse von Anzugträgern, fällt nicht der reiche Investmentbanker auf, sondern der Punk mit den roten Haaren.

Sei mutig und breche zumindest ab und zu aus den Normen aus!

Das hier ist ein Plädoyer aufs Bloggen. Bloggen mit ein bisschen mehr Seele.

Ich habe für mich beschlossen wieder ein bisschen mehr wie früher zu bloggen. Es wird weiterhin die gewohnten Inhalte geben, aber ab und zu, wenn mir danach ist, werde ich ein wenig nach links ausscheren ohne den Blinker zu setzen.

Zähl ruhig Zeichen in deinen Überschriften, optimiere deine Inhalte für Google. Schreibe den nächsten List-Post. Aber zeig auch ein bisschen Charakter und mach dein Ding, auch wenn es dich bei Google vielleicht nicht nach oben bringt und ein paar Shares weniger auf Facebook gibt.

Letztendlich wirst du davon profitieren und deine Leser werden sich freuen, mal was anderes zu lesen.

Fang einfach sofort an! Setz dich hin und schreib auf, was dir hierzu einfällt, poste es in deinem Blog und schreib mir einen Kommentar mit dem Link zum Post.

Und wenn du schon dabei bist, schaue in meinem Blog vorbei, abonniere den Newsfeed und nimm an meinen kleinen Blog-Experimenten teil.