Kopiergeschützt bald ungekauft?

Mal ganz ehrlich, die letzten Wochen waren wirklich recht lebendig, wenn man sich die Meldungen über diverse Kopierschutzsysteme ansieht. Die RSS-Feeds platzten beinahe aus den Nähten und zeitweise trudelten die Nachrichten täglich ein.
Im Mittelpunkt: Sonys neuer Kopierschutz sollte auch in Europa zur Anwendung kommen. Doch es kam anders.

Sony BMG musste zahlreiche Kritik einstecken, als es in einem Tagesschau-Bericht hieß, der Kopierschutz “XCP1 Burn Protect” solle auch in Europa eingeführt werden. Lars Becker geht in seinem Weblog kurz auf diesen Kopierschutz ein. Er schreibt u.a.

Sony BMG hat in Amerika Audio-CD’s ausgeliefert, die einen “neuartigen Kopierschutzmechanismus” beinhalten, der sich, wenn man MS Windows verwendet, ungefragt und heimlich tief in das System des Benutzers installiert und sich dabei die meisten Spuren verwischt. Im IT-Jargon nennt man ein solches Schadprogramm ein Rootkit.

Und solch ein Rootkit würde nach deutschem Recht wahrscheinlich den Straftatbestand der Datenmanipulation erfüllen, meint Lars Becker.

Nachdem der Kopierschutz sogar von Antiviren-Programm-Herstellern als Schadensprogramm eingestuft wurde, stellte Sony BMG die Produktion der betroffenen Audio-CDs vorerst ein. Doch damit sollte das Problem nicht gelöst sein. Durch ein ActiveX-Controll, welches der XCP-Deinstaller verwendet, wird ein Sicherheitsloch geöffnet, welches es Angreifern ermöglichen solle, fremden Code auf dem betroffenen Rechner auszuführen, schreibt Golem.de. Sony BMG geht nun noch einen Schritt weiter und zieht die betroffenen Audio-CDs aus dem Handel zurück.

Schließlich wird es noch einmal unangenehm für Sony BMG. Man sieht sich mehreren [1] [2] Anschuldigungen gegenüber (L)GPL-Code benutzt zu haben.

Doch ganz so einfach ist es nicht, Sony BMG verweist auf die Firma “First 4 Internet”, die den Kopierschutz entwickelt habe. Sony BMG selber habe nichts von dem Rootkit gewusst. Der Programmcode würde weiterhin untersucht werden.

Inzwischen hat Sony BMG eine große Umtauschaktion gestartet. Auf einer Webseite von Sony BMG wurden nun alle betroffenen CDs aufgelistet. US-Kunden, die diese CDs erworben haben, bekommen eine Ersatz-CD bzw. können sich die Audiotitel als MP3 herunterladen.

In Europa wird es, nach dem Aufsehen um den Kopierschutz, eben diesen nicht geben.

Die großen Plattenfirmen sehen sich angesichts der Zahl von Raubkopien in Bedrängnis. Und während die einen um ihre Marktherrschaft kämpfen und die anderen wild kopieren, entwickelt sich im Untergrund eine neue Szene: Immer mehr kleine Label tauchen auf.

So entstanden in der vergangenen Zeit immer mehr Netlabels, die ihre unter Vertrag stehenden Bands ausschließlich über das Internet vermarkten. Label, wie das Grand Hotel van Cleef bieten zudem kostenlose Downloads von Musikvideos an. Die CDs der Künstler sind günstig im Internet bestellbar oder direkt als Einzeltracks in MP3-Form downloadbar.

Aber junge Bands und Musiker vertreiben ihre Musik auch immer häufiger in Eigenregie über das Internet. Filewile zum Beispiel, wie das Internetmagazin Phlow jüngst berichtete.

Warum auch nicht? Dank Internet und immer leichter zu handhabende Technik, ist es heute ohne größere Probleme möglich seine eigene Musik an den Mann oder die Frau zu bringen.

Eine echte Alternative also für Künstler.

Musikinteressierte kommen aber auch ganz ohne Bezahlung an gute Musik. Dank der neuen Podcast-Welle, gibt es viele Seiten im Internet, die Musik von Künstlern anbieten, welche GEMA-frei gespielt werden darf. Tausende Songs in allen Stilen sind z.B. beim podsafe musik network zu finden.

Ob es also wirklich zu einem Boycott kommen wird, wie Lars Becker es fordert, ist ungewiss. Die Tendenz der alternativen Musikszene zeigt allerdings, dass es vielleicht gar nicht dazu kommen muss, denn gute Musik ist inzwischen auch auf anderen Wegen beziehbar.

Wer allerdings nicht auf seinen großen, populären Lieblingskünstler verzichten will, der wird wohl weiterhin auch im Laden CDs großer Plattenfirmen kaufen müssen, eventuell mit Kopierschutz, ganz sicher aber ohne XCP-Kopierschutz. Die Frage ist nur, wie lange noch? Vielleicht hangelt der nächste Superstar ja durch das Internet hinauf in unsere Ohren.