Gedanken über Fotos
Dass man alt wird, merkt man daran, dass Fotos, die man sich anschaut und die man vor ein paar Jahren geschossen hat, auf einmal doch schon vor 20 Jahren geschossen wurden …
Ich habe einen neuen Rechner und diesmal nicht einfach eine 1:1 Kopie vom alten übertragen, sondern mal blank angefangen, alles neu installiert und ich habe auch ein neues Ablage-System für Dateien erdacht. Das hatte zur Folge, dass ich nun ein Verzeichnis für meine Band habe, in der ich alles fein säuberlich einsortiere (und das auch in die Cloud wandert, auf die der Rest der Band auch Zugriff hat und eigene Dateien ergänzen kann).
Ich schaute also durch ziemlich viele alte Fotos und Videos. Und eines war interessant zu sehen: Die Fotos wurden immer weniger. Anfangs haben wir noch sehr viel fotografiert, bei Konzerten, während unserer CD-Aufnahmen oder einfach so bei der Probe. Hauptsächlich Fotos, wenige Videos, denn das war noch die Zeit vor den Smartphones als man noch mit Kompaktkamera rumlief. Immerhin digital.
Die ersten zehn Jahre gab es recht viele Fotos, dann wurde es weniger. Das liegt nicht daran, dass es weniger zu fotografieren gab. Wir waren und sind immer noch unterwegs und spielen Konzerte, nehmen gerade wieder auf. Ich vermute, das Smartphone hat nicht nur zu einer Unmenge an neuen Fotos geführt, sondern auch zu einer Sättigung.
Irgendwann ging man dazu über, alles zu fotografieren. Wir kennen noch die Sprüche, wenn jemand im Restaurant erst mal das Essen fotografieren musste. Inzwischen findet das nur noch selten statt. Zumindest in meinem Umfeld. Skurriles wird natürlich noch einmal fotografiert und auch mal etwas Alltägliches, aber wenig davon findet den Weg in die Öffentlichkeit. Es ist eher so ein: Oh schau mal! Foto schießen und vergessen. Und dann landet es in der Fotobibliothek, die ohnehin niemand mehr überblickt.
Heute sind es die Selfies, die geschossen werden, mit Filtern, die erschreckend gut funktionieren und gestellte Bilder aus dem Urlaub oder der Wohnung/dem Büro. Vorher noch mal schnell Dinge aus dem Bild räumen, die man da nicht sehen will, hinterher nachbearbeiten.
Immer seltener schaut man sich diese Bilder an. Manchmal, wenn ich so durch die Fotobibliothek wische und mir einzelne Bilder anschaue, frage ich mich: War das jetzt echt oder habe ich da etwas bearbeitet oder einen Filter benutzt? 🤷🏼
Als Folge dessen sind die Bilder schon nach wenigen Wochen/Monaten völlig uninteressant. Wenn überhaupt, bedeuten sie nur für den kurzen Moment etwas, gerade wenn sie mit der Intention geschossen wurden, online gestellt zu werden.
Als ich die Bilder meiner Band so durchging, fiel es mir wieder auf. Die Bilder, an denen ich hängen blieb, die ich rumschickte ("Guck mal! Weißt du noch?"), das waren nicht die gestellten Bandfotos. Das waren Schnappschüsse, "aus der Hüfte fotografiert", Momente, die man nicht geplant hat und wo zufällig jemand abgedrückt hat. Chaotische Momente, ein bisschen peinliche auch. Viele Fotos, auf denen irgendwo gerade jemand Fratzen zieht oder sich kaputt lacht.
Das sind die Fotos, die bleiben. Vor denen man sitzt, breit grinst und denkt: "Ach stimmt, haha, das war so witzig!". Oder "Aaaaach, das haben wir ja auch gemacht!".
Ich bin für mehr solcher Fotos. Wirkliche Erinnerungen. Ungeplante Schnappschüsse, die einem jetzt vielleicht peinlich sind, aber über die man sich in ein paar Jahren freut. Vielleicht kommt da auch wieder das Alter durch, aber ich glaube nicht, dass ich mir viele meiner aktuellen Fotos so ansehen werde, wie die Fotos von damals. Also: Mut zur Imperfektion, würde ich sagen.