Podcasts könnten bald Geld kosten

Podcasts zeichneten sich bisher besonders dadurch aus, dass man die meisten von ihnen über den Podcatcher seiner Wahl abonnieren konnte - und zwar kostenlos. Das könnte sich bald ändern.

Ich will hier nicht immer klingen, wie der tolle Typ, der alles schon gemacht hat, aber ich bin ja nun schon eine ganze Weile im Web dabei…

Ich habe ungefähr 1999 mit dem Bloggen angefangen und 2001 mit Radio-On-Demand. Bestimmte Dinge kann man dann irgendwann zumindest vorausahnen.

Erste Versuche Geld zu verdienen

Heute mag man darüber lächeln, aber was gab es für wilde Diskussionen und Beschimpfungen, als die ersten Blogger anfingen ihre Blogs zu monetarisieren. Da tauchten Werbebanner auf oder es gab andere Versuche.

Das ging damals gar nicht. Ein Blog war etwas Unkommerzielles und wer damit Geld verdienen wollte, war ein Verräter. So fühlte es sich zumindest an. Heute ist das ganz normal. Werbung ist Blogs ist genauso Usus wie gesponserte Artikel, Affiliate Marketing oder integrierte Shops.

Die Entstehung der Podcasts

Im Jahr 2005 wurden wir Internetradiomenschen dann auf einmal Podcaster. Maßgeblich daran beteiligt war Apple, die Podcasts in iTunes aufnahmen. Vorher hatte es auch schon Podcaster gegeben, Leute wie Adam Curry waren richtige Podcast-Stars, aber die breitere Öffentlichkeit wurde erst durch Apple auf das Thema aufmerksam.

Podcasts waren die neuen Blogs. Radio- oder TV-Sender gab es damals noch kaum als Podcast, das Podcastverzeichnis bei iTunes bestand zum größten Teil aus privaten Podcasts, die noch sehr viel Blogcharakter hatten.

Auch in Deutschland entwickelte sich eine Podcast-Szene. Ganz oben mit dabei, Leute Larissa Vassilian, die sich damals noch Annik Rubens nannte und den extrem populären Podcast Schlaflos in München produzierte oder Reiko Schmidt mit seinem Nachtzug nach Hamburg.

Es dauerte eine Weile, dann tauchten bei einigen Podcasts Sponsoren auf und natürlich war auch Affiliate Marketing ein Thema, aber das lief dann ja wieder über die Webseiten.

Der Podcast als Einnahmequelle

Davon ausgehend, dass viele Podcaster wirklich bekannt waren und auch die Medien langsam auf das Thema aufmerksam wurden, wundert es mich eigentlich, dass es mehr als zehn Jahre gedauert hat, bis die ersten Massenlösungen zur Monetarisierung gefordert wurden.

Aktuell wird das Thema viel diskutiert und erinnert mich teilweise stark an die Diskussion um die Blogs damals.

Die Produktion eines Podcasts dauert eine gewisse Zeit. Die Produktionszeit meines, etwa zehn Minuten langen Podcasts, beträgt im Schnitt zwei Stunden.

Verständlich, dass viele sofort die Ohren spitzen, wenn es darum geht, auch ein bisschen Geld mit dem Podcast zu verdienen. Schließlich steckt da viel Energie und Zeit drin.

Zuerst einmal sei gesagt, dass ich nichts dagegen habe, wenn Podcaster mit ihren Podcasts auch Geld verdienen wollen. Es gibt schließlich wirklich professionell produzierte Podcasts, mit gut recherchierten Themen. Da steckt viel Arbeit drin.

Aber

Okay, das musste kommen, oder? ;)
Ich möchte hier ein paar Dinge aufwerfen, die mir bei dem Thema so durch den Kopf schießen.

Proprietäre Systeme

Der neue Podcast von Olli Schulz und Jan Böhmermann hat gezeigt, wie es gehen kann, wenn große Dienstleister die Distribution übernehmen. In diesem Fall war es Spotify.

Wenn es darum geht, Geld zu verdienen, dann versuchen die Plattformen ihre Inhalte abzuschotten. Logischerweise will man die User an sich binden, damit das Geld auch da ankommt, wo man es haben will.

Das hat zur Folge, dass das bisher so offene Prinzip von Podcasts aufgeweicht und geschlossen wird. Podcasts wie der von Schulz und Böhmermann werden ausschließlich über die mobile App von Spotify zur Verfügung gestellt. Es gibt keinen offenen RSS-Feed mehr, den man in der App seiner Wahl abonnieren kann.

Wenn nun Firmen wie Spotify, Apple, Stitcher, Google und was weiß ich noch wer, anfangen übers Geldverdienen mit Podcasts nachzudenken, wird es zwangsläufig zu weiteren geschlossenen Systemen kommen.

Wir werden eine ähnliche Situation bekommen, wie es derzeit schon mit den App-Stores der Fall ist.

Nicht schlimm, mag man sagen. Wer allerdings schon mal versucht hat, eine App zu veröffentlichen, der weiß es besser.

Gerade Apple setzt hohe Standards an und behält sich das Recht vor, zu entscheiden, wer in den Store kommt und wer nicht. Was, wenn das auch bei Podcasts der Fall ist? Darf dann der Apple-Kritische Podcast noch in den Store? Was ist mit Podcasts die umgangssprachlicher Natur sind, wo vielleicht mal geflucht wird? Dergleichen mag Apple gar nicht.

Kurz: Wer die Hoheit über das System hat, entscheidet auch, was er im System haben will. Etabliert sich dann eine Plattform, werden all diejenigen Probleme bekommen, die dort nicht verfügbar sind. Ob sie nun Geld verdienen wollen oder nicht.

Werbeunterbrechungen

Nun gibt es auch Ansätze von Dienstleistern, die sich quasi in den Podcast hängen und diesen wie gewohnt via RSS verfügbar halten.

Diese Dienste wollen dann Werbung in die Podcasts integrieren. Wer nicht bezahlt, muss Werbung hören, wer bezahlt hört werbefrei und bekommt vielleicht sogar noch zusätzliche Inhalte.

Diesen Ansatz empfinde ich als weitaus weniger problematisch. Die Frage ist hier aber, ob das Publikum da mitspielt.

Warum soll ich für Podcast X Geld bezahlen oder durch Werbung nerven lassen (nach welcher Logik wird eigentlich die Werbung einspielt? Fällt die mir dann einfach ins Wort?), wenn ich stattdessen Podcast Y und Z hören kann, die die gleichen Themen behandeln und weiterhin kostenlos sind?

Hier sehe ich ein Risiko für Podcaster, die sich zu dem Schritt entscheiden.

Außerdem gibt es, neben den wirklich guten Podcasts, auch Unmengen Podcasts, die zwar gute Inhalte liefern, deren Audioqualität aber zu wünschen übrig lässt. Dafür will ich, ehrlich gesagt, nicht bezahlen.

Podcast als Werbung für sich und/oder sein Produkt

Für die meisten von uns dürfte es sich aber sowieso anders verhalten. Viele Podcaster - gerade im Business-Umfeld - verfügen über ein Produkt oder eine Dienstleistung, die sie gerne verkaufen möchten.

Der Podcast ist dann in dem Fall eine Art Werbung und Kanal zur Kundenbindung. Einen Teufel sollte man hier tun und auch noch Geld für den Podcast zu verlangen! Das macht den Podcast zum Produkt und wird sicherlich nicht dienlich sein, wenn es um Kundenbindung geht.

Andere, bessere(?) Wege

Es gibt ja bereits andere Wege. Wer mit seinen Inhalten Geld verdienen möchte, kann auf Dienste wie Patreon zugreifen. Flattr hat sich ja wohl erledigt, jedenfalls habe ich davon schon ewig nichts Relevantes mehr gehört.

Gerade für Podcaster, die ihren Podcast nebenher betreiben, sind Lösungen wie Patreon eine gute Wahl. Wirklich interessierte Hörer können den Podcaster finanziell unterstützen und z.B. mit exklusiven Inhalten „belohnt“ werden.

Fazit

Je nachdem in welche Richtung sich das alle entwickelt, könnten wir aus unseren schönen offenen Podcasts proprietäre Systeme schaffen und uns damit selber die Hoheit über unsere Inhalte nehmen.

Im schlimmsten Fall zwingen wir unsere Hörer mehrere Apps zu installieren, damit sie die gewünschten Podcasts über die Systeme verteilt hören können.

Der Weg über Werbung ist sicherlich ein naheliegender, ob sich Podcaster damit aber immer einen Gefallen tun, will ich mal dahingestellt lassen. Ich denke, dass dieses System schnell dazu führen wird, dass Hörer genervt sind und versuchen Werbung zu umgehen oder die Podcasts ganz meiden (gerade wenn es so ausartet wie aktuell auf vielen Webseiten, ich sag nur Overlays).

Der offene Weg über normales RSS und der Möglichkeit weitere Informationen und Inhalte gegen eine Gebühr zu bekommen, erscheint mir derzeit als der attraktivste.

Was meinst du? Ich freue mich über regen Austausch!

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