Vom Laufen lernen

Seit gut 1 1/2 Jahren laufe ich mehr oder weniger regelmäßig. Zuerst musste ich das Laufen lernen und inzwischen lerne ich vom Laufen. Das Laufen beeinflusst sogar meine Arbeit.

Wenn man jeden Tag stundenlang sitzt, dann braucht man einen Ausgleich. Und weil ich nun unweigerlich älter werde und leider bemerken musste, dass hier und da Fettpölsterchen entstehen, mit denen ich früher nicht zu kämpfen hatte, entschloss ich mich irgendwann mit dem Laufen zu beginnen.

Die ersten Versuche vor etwa zwei Jahren gingen wunderbar schief. Ich installierte mir eine Lauf-App auf dem Telefon und lief drauf los.

Das klappt natürlich nicht. Nach 10 Minuten fragt man sich, warum einem die Luft weg bleibt und was die Beine da komisches machen. Wie bei so vielen Dingen, braucht man auch hier einen Plan.

Das war vielleicht die erste Erkenntnis, die ich aus dem Laufen ziehen konnte. Einfach losrennen führt meist nicht zum Ziel, die Chancen dann auf halber Strecke schlapp zu machen, stehen ganz gut.

Ich brauchte einen Plan, um Laufen zu lernen. Irgendwann stieß ich auf einen Podcast, dessen Titel genau meinen Vorstellungen entsprach „From Couch potato to 5k“. Klang gut. War gut.

Über, ich glaube, sechs Wochen, lernte man das Laufen. Man fing bei null an und landete schließlich bei fünf Kilometern. Der Plan funktionierte und auf einmal konnte ich tatsächlich fünf Kilometer am Stück laufen! Damit hatte ich eigentlich nie so richtig gerechnet.

Der Trick, um mit dem Laufen anzufangen, ist eigentlich ganz simpel: Langsam anfangen und sich Schritt für Schritt steigern. Im Podcast lief ich erst eine Minute am Stück, durfte dann Pause machen, lief zwei Minuten am Stück, durfte Pause machen und so weiter. Jeden (Lauf-) Tag steigerten sich die Laufintervalle. Bis ich irgendwann 30 Minuten am Stück lief.

Mit dieser Basis konnte ich nun weiter arbeiten. Da ich Statistiken liebe, dauerte es nicht lange und ich hatte eines von diesen Armbändern um, ein FitBit. Inzwischen bin ich beim Moov gelandet. Die Idee ist die selbe: Ich möchte meine Ergebnisse messen und sehen, ob und wie mein Fortschritt aussieht.

Zunächst versuchte ich meine Zeiten zu verbessern. Ich blieb also bei den fünf Kilometern und versuchte meine Kondition zu verbessern, Routine zu bekommen und schneller zu werden.

Für meine morgendliche Fünf-Kilometer-Runde brauche ich, je nach Tageskondition, etwa 28-32 Minuten. Die Basis ist da und das nächste Ziel ist nun, die Strecke zu verlängern.

Ehrlich gesagt, bin ich nie auf die Idee gekommen, mein Laufen in irgendeine Verbindung mit meinem Beruf zu bringen. Klar, hinterher bin ich wach, der Kopf ist klar und ich kann frisch an die Arbeit - aber Abseits davon?

Ich muss gestehen, wenn ich Dinge gerne mache, dann missioniere ich gerne. Das geht manch einem auf die Nerven, aber ich kann es nicht abstellen.

So war es auch mit dem Laufen. Ich konnte eine Freundin davon überzeugen, es auch mal zu probieren. Sie war fleißig dabei zu walken, aber mit dem Laufen wollte es nicht klappen. Ich empfahl ihr den Podcast und seitdem ist auch sie fleißige Läuferin.

Da sie nicht in Hamburg wohnt, teilen wir uns unsere Laufstatistiken immer über WhatsApp, um uns gegenseitig zu motivieren und in den Hintern zu treten.

Auf Amazon stieß ich auf ein Buch von Haruki Murakami, den ich als Autor sehr schätze. „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“. Ich schenkte es besagter Freundin zu Weihnachten, weil die Inhaltsangabe eine gute Mischung versprach, zwischen Laufgeschichten und ihrer Verbindung zum Schreiben.

Sie las das Buch und drückte es mir dann in die Hand, weil ich es auch mal lesen sollte.

Genau das machte ich in den letzten Tagen. Ich musste schmunzeln, Murakami fing im selben Alter wie ich an zu laufen, aus ähnlichen Gründen.

Heute stieß ich auf einen Absatz, der meine Aufmerksamkeit erregte, weil er von der Balance spricht, die zwischen Laufen und Arbeiten einher kommt:

Wenn man jedoch nicht mehr sehr jung ist, muss man Prioritäten setzen und herausfinden, wie man sich seine Zeit und Energie am besten einteilt. Hat man bis zu einem gewissen Alter kein solches System gefunden, […] ist [man] nie im Gleichgewicht.

Und dann schreibt er, wie er diese Prioritäten setzt, indem er nämlich eine Beziehung zu seinen Lesern aufbaut:

[…] und jedes meiner Werke würde eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen darstellen, was die Leser zweifellos begrüßen würden. War dies für mich als Schriftsteller nicht die vorrangige Aufgabe? […] Ich kann die Gesichter meiner Leser nicht sehen; es handelt also um eine ideelle Beziehung. Dennoch lebe ich in diesem unsichtbaren ‚idealen‘ Verhältnis; es ist das wichtigste in meinem Leben.

Als ich das las, dachte ich: Genau das ist es doch, was alle immer predigen, als besondere Kenntnis: „Kenne deinen Kunden, baue eine Bindung zu ihm auf“.

So besonders ist diese Erkenntnis eigentlich gar nicht. Sie ist uns nur verloren gegangen, als die Unternehmen immer größer wurden und wir nicht mehr im kleinen Lädchen um die Ecke einkauften, wo man uns mit Namen kannte, sondern bei Amazon.

Aber egal, was wir tun. Ob wir verkaufen, schreiben, podcasten… Wir sollten immer vor Augen haben, für wen wir das tun. Wenn wir nur die Kreditkarte vor Augen haben, dann werden wir uns auf lange Sicht wahrscheinlich nicht durchsetzen können, besonders, wenn wir in einer Nische arbeiten.

Und noch etwas lässt uns Murakami wissen, nämlich, dass wir uns selber Ideale setzen sollten und nicht jedem gefallen müssen. Das beschreibt er ganz gut, als er über den Jazz-Club spricht, der er vor seiner Schriftstellerkarriere führte:

Wenn einer von zehn Stammgast wurde, würde das Geschäft ganz gut gehen. […] Um das sicherzustellen, muss der Inhaber […] einen Standard setzen, eine Philosophie haben und sie auch gegen Wind und Wetter verteidigen.

Wenn das nicht die Essenz eines erfolgreichen Online-Unternehmens ist, dann weiß ich auch nicht.

Ich habe also ein bisschen drüber nachgedacht, was ich aus dem Laufen für mich ziehen kann und mir wurde eine Grundlage bewusst, die ich unbewusst angewandt habe und die scheinbar eine globale ist: Fange klein an, steigere dich kontinuierlich, finde früh Fehler und beseitige sie. Baue darauf auf. Behalte dein Ziel im Auge und stehe für deine Werte ein.

Das könnte ich jetzt auf 200 Seiten strecken und ein weiteres eBook über Lean-Start-Ups und MVP schreiben ;)

Ich habe mein Blog langsam aufgebaut, mit dem Podcasten begonnen und baue nun auf dieser Grundlage auf. Ich lerne aus meinen Fehlern und ich habe eine oberste Maxime, die über Allem steht: Erzähle keinen Bullshit!

Wie beim Laufen auch, musste ich mich langsam steigern, um die nötige Kondition zu besitzen. Und ich bin mir im Klaren darüber, dass ich noch viele Runden laufen muss, um meine Ziele zu erreichen, nur um mir dann die nächsten Ziele zu setzen. Draußen, an der frischen Luft und drinnen vorm Computer.

Wie geht's von hier aus weiter?

Wenn du diesen Beitrag (nicht) gut findest, kannst du ihn kommentieren, woanders darüber schreiben oder ihn teilen. Wenn du mehr Beiträge dieser Art lesen willst, kannst du mir via RSS oder ActivityPub folgen, oder du kannst kannst dir ähnliche Beiträge ansehen.